FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Diskussion / Jahrgang 2004

 

Stellungnahme zu den finanziellen Folgen der geplanten AV-Pflege

 

Die geplanten neuen Pflegekindervorschriften führen im wesentlichen zu folgenden Änderungen:
1. Abschaffung der Heilpädagogischen Pflegestellen,
2. Abschaffung der Großpflegestellen,
3. unzumutbare Schlechterstellung der Kurzpflegestellen,
4. exzessive Überregulierung des Pflegekinderwesens,
5. erhebliche Steigerung des Verwaltungsaufwandes
mit sehr destruktiven fachlichen Konsequenzen (vgl. div.
Stellungnahmen) und erheblichen finanziellen Kurz- und Langzeitfolgen:

zu 1.: Die Heilpädagogischen Pflegestellen wurden in den siebziger Jahren als fachlich bessere und finanziell günstigere Alternative zu den aus politischen, wissenschaftlichen und sozialpraktischen Erwägungen als ungeeignet erkannten Heimen geschaffen. Die damaligen ’normalen’ Pflegefamilien waren mit den verhaltensgestörten Kindern und Jugendlichen überfordert. Empirische Untersuchungen haben inzwischen ergeben, daß die Heilpädagogischen Pflegestellen jene fachlichen und finanziellen Erwartungen erfüllen. Ihre Abschaffung wird zu den alten, sehr hohen Abbruchquoten zurückführen und die erforderliche Anwerbung geeigneter Bewerber weitgehend verunmöglichen.
Die vorgesehene Einführung des jeweils antragsbedürftigen und zeitlich begrenzten ’erweiterten Förderbedarfs’ ist keinesfalls geeignet, die Heilpädagogische Pflegestelle zu ersetzen, weil sie eine längerfristige, auf die besonderen Bedürfnisse der Kinder eingestellte Lebensplanung nicht erlaubt.
Die Folge der Liquidierung der Heilpäd. Pflegestellen ist im krassen Gegensatz zum Auftrag des Abgeordnetenhauses die erhebliche Steigerung der Heimunterbringungen, insbesondere der Unterbringungen in den gleichfalls sehr teuren Erziehungsstellen. Diese Entwicklung ist von den Heimträgern und der mit den Heimträgern traditionell eng verbundenen Jugendsenatsverwaltung ganz offensichtlich gewollt.

zu 2.: Die professionell ausgerichteten Großpflegestellen sind auch eine fachlich sinnvolle und finanziell günstige Alternative zur Heimerziehung. Ihre Abschaffung hat ebenfalls die oben genannten Folgen.

zu 3.: Die Kurzpflegestellen sind durch besondere zeitliche und psychosoziale Belastungen gekennzeichnet. Für diese Arbeit wird sich kaum jemand finden, wenn kein angemessenes Honorar gezahlt wird. Geplant ist aber eine Reduzierung, wiederum mit dem absehbaren Ergebnis, daß die Kinder und Jugendlichen in die teuren Clearingstellen der Heime eingewiesen werden müssen.

zu 4.: Die Überregulierung und damit einhergehende Fremdbestimmung der Pflegeeltern, inklusive Instrumentalisierung als Interessenvertreter der Herkunftseltern sind unzumutbare Belastungen, die die ohnehin schwierige Akquisition von Pflegeeltern zusätzlich erschweren und weitere Abbrüche vorprogrammieren.

zu 5.: Die geplanten AV-Pflege sehen regelmäßige fachdiagnostische und -prognostische Untersuchungen in Abständen von 6 bis 12 Monaten vor. Der enorme zeitliche und finanzielle Aufwand ist evident.

Es stellt sich die Frage, warum der Landesjugendhilfeausschuß und der Arbeitskreis zur Förderung von Pflegekindern sich bisher nicht klar gegen die geplanten Vorschriften ausgesprochen haben.

Im Landesjugendhilfeausschuß sind die Pflegeltern gar nicht, aber gerade die Heimträger überrepräsentiert, die von jener Planung profitieren würden. Vor Einwirkung der Heimträger hatte der zuständige Koordinator des Landesjugendamts noch ganz i. S. des Abgeordnetenhauses die Absicht, das Pflegekinderwesen auf Kosten der Heimplätze quantitativ und qualitativ auszubauen (s. Thilo Geisler).

Der Arbeitskreis zur Förderung von Pflegekindern vertritt schon lange nicht mehr die Interessen der Pflegeeltern mit dem von diesen gewünschten Engagement, weil er und die mit ihm verbundene GmbH ’Familien für Kinder’ finanziell vom Jugendsenator abhängig sind. In den vielen Monaten der zitierten Kontroverse hat er keine einzige Sitzung dazu einberufen und stattdessen eine von den Mitgliedern nicht legitimierte Bündnispolitik mit Heimträgern praktiziert. Offenbar ist ihm an einer Umwandlung der Pflegestellen gem. § 33 KJHG in Erziehungsstellen gem. § 34 KJHG gelegen - auf Kosten der familienrechtlichen und psychosozialen Stellung der Pflegekinder (bes. § 1632, Abs. 4) und natürlich des Berliner Haushalts.

Wie die Pflegeeltern tatsächlich denken, geht aus ihren Stellungnahmen und aus einer Unterschriftenliste hervor, auf der der Jugendsenator zu einer fachöffentlichen Diskussion der AV-Pflege vor deren Verabschiedung aufgefordert wird.

Trotz entgegenstehender Behauptungen des Jugendsenators ist allgemein bekannt, daß auch die Sozialpraktiker der bezirklichen Pflegekinderdienste schwerwiegende Bedenken gegen die geplanten Pflegekindervorschriften erheben.

Zur Beantwortung weiterer Fragen sind wir gerne bereit, auch zu Hintergrundinformationen, die für eine schriftliche Darstellung nicht gut geeignet erscheinen.

Arbeitsgemeinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie
i.A. Rechtsanwältin Soz. Päd. grad. Gudrun Eberhard

 

 

 

[AGSP] [Aufgaben / Mitarbeiter] [Aktivitäten] [Veröffentlichungen] [Suchhilfen] [FORUM] [Magazin] [JG 2011 +] [JG 2010] [JG 2009] [JG 2008] [JG 2007] [JG 2006] [JG 2005] [JG 2004] [JG 2003] [JG 2002] [JG 2001] [JG 2000] [Sachgebiete] [Intern] [Buchbestellung] [Kontakte] [Impressum]

[Haftungsausschluss]

[Buchempfehlungen] [zu den Jahrgängen]

Google
  Web www.agsp.de   

 

 

 

 

 

simyo - Einfach mobil telefonieren!

 


 

Google
Web www.agsp.de

 

Anzeigen

 

 

 

 


www.ink-paradies.de  -  Einfach preiswert drucken