FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Rezension / Jahrgang 2002

 

Babette Rothschild

Der Körper erinnert sich
- die Psychophysiologie des Traumas und der Traumabehandlung

Aus dem Amerikanischen
von Theo Kierdorf und Hildegard Höhr
Synthesis-Verlag Essen, 2002, (254 Seiten, 28,- Euro)

Babette Rothschild ist Sozialarbeiterin mit langjährigen Erfahrungen als Klientin und Therapeutin (vgl. www.trauma.cc). Von diesem dreifachen Praxisbezug ist ihr unorthodoxes, lehrreiches, ungemein ideenreiches Buch durchgehend geprägt.

Aus dem Inhaltsverzeichnis sollen hier nur die Hauptüberschriften mitgeteilt werden:

  1. Die posttraumatische Belastungsstörung - Wirkung vom Traumata auf Körper und Seele
  2. Entwicklung, Erinnerung und Gehirn
  3. Der Körper erinnert sich - die somatische Erinnerung verstehen
  4. Der Ausdruck noch nicht erinnerter Traumata - Dissoziation und Flashbacks
  5. Vor allem, schade nicht!
  6. Der Körper als Ressource
  7. Weitere somatische Techniken zur Gewährleistung eines sicheren Verlaufs von Traumatherapien
  8. Die somatische Erinnerung wird zur persönlichen Geschichte

Zu den weitreichenden Wirkungen frühkindlicher Traumata heißt es im Abschnitt 'Gehirnentwicklung und Trauma' des 2. Kapitels:
"
Schore (1996), van der Kolk (1987, 1998), Siegel (1999), de Bellis (1999), Perry (1995) und andere sind der Auffassung, daß eine Prädisposition für starke psychische Belastungszustände bis hin zur PTBS [=PostTraumatische BelastungsStörung] in belastenden Erlebnissen früher Entwicklungsphasen begründet sein kann: Vernachlässigung, körperliche Mißhandlung und sexueller Mißbrauch, Defizite bei der Entwicklung einer Bindung (unsichere Bindung) und individuelle traumatische Erlebnisse (wie Klinikaufenthalte, Tod eines Elternteils, Autounfall) (Bindungsabbrüche). Es wird vermutet, daß Menschen, die in ihrer frühen Kindheit ein Trauma erlitten und/oder nicht die positive Wirkung einer sicheren Bindung erlebt haben, in ihren Fähigkeiten, später mit Streß fertig zu werden und traumatische Erlebnisse zu verstehen, beeinträchtigt sind. Bei einigen von ihnen könnte eine verringerte Aktivität des Hippokampus - entweder weil dieser (aufgrund von Bindungsmangel) nicht voll entwickelt oder weil seine Entwicklung (durch traumatische Ereignisse) unterdrückt wurde - die Fähigkeit, Streß zu bewältigen, einschränken." (S. 48)

Andererseits führt das bei ihr nicht zu einem defätistischen Pessimismus:
"Die frühe Kindheit ist nicht die einzige Chance eines Menschen, gesunde Bindungen zu entwickeln. Ein traumatisiertes Kind ist nicht zwangsläufig zu einem von Dysfunktion geprägten Leben verdammt. Viele der Kinder, die am Anfang ihres Lebens keine Möglichkeit hatten, eine sichere Bindung zu entwickeln, können später in ihrem Leben bei guten Freunden, bestimmten Lehrern oder einem besonders verständnisvollen Nachbarn korrigierende positive Bindungserfahrungen machen. Und viele Jugendliche und Erwachsene finden im Rahmen einer reifen Liebesbeziehung eine heilende Bindung. Oft vermögen solche späteren Beziehungen das in der frühen Kindheit Versäumte oder Erlittene auszugleichen. Wieder andere erfahren die dringend benötigte sichere Bindung in einer psychotherapeutischen Beziehung."(S. 49/50).

Auf diesem therapeutischen Optimismus baut der umfangreiche praktische Teil auf, in dem der ganze Erfahrungsreichtum der Autorin zur Geltung kommt.

Sie schließt ab mit folgendem Appell:
"Die Erinnerung des Körpers an traumatische Ereignisse basiert auf der Kodierung von mit dem Trauma assoziierten Empfindungen, Bewegungen und Emotionen. Um PTS und PTBS zu heilen, müssen wir uns sowohl mit dem beschäftigen, was im Körper vor sich geht, als auch mit den Interpretationen, die der Geist produziert. Die Sprache überbrückt die Kluft zwischen Geist und Körper und verbindet explizite und implizite Erinnerungen. Die somatische Erinnerung wird zur persönlichen Geschichte, wenn die Wirkung traumatischer Ereignisse so weit abgeschwächt worden ist, daß dieselben an den ihnen zukommenden Ort in der Vergangenheit rücken." (S. 248)

Leider ist die Autorin in ermüdender Persistenz darauf fixiert, die angeblich "tiefe Kluft" zwischen Körper und Seele in der herkömmlichen Psychiatrie und Psychotherapie "zu überbrücken". Über einen Artikel Kolks schreibt sie: "Er ist die erste mir bekannte Abhandlung, in der ein Vertreter der Mainstream-Psychiatrie die Existenz einer Verbindung zwischen Körper und Seele anerkennt." (S. 13) In der langen Reihe der Psychiatriebücher in meinem Regal habe ich kein einziges gefunden, das diese Verbindung leugnet. Im Gegensatz zu Babette Rothschild halten einige Autoren Psyche und Soma sogar für eine so untrennbare Einheit, daß schon die Frage nach deren Wechselwirkungen verfehlt ist. Das ist der Nachteil, wenn sich eine Praktikerin in das komplizierte Leib-Seele-Problem verstrickt, ohne die jahrhundertelange akademische Diskussion darüber zu kennen. Der große Vorteil liegt in ihrer Fähigkeit, die umwälzenden Ergebnisse der neurobiologischen Forschung in einfacher und klarer Sprache zu vermitteln und sie sehr überzeugend in die Praxis zu tragen.

Kurt Eberhard (Juni, 2002)


weitere Beiträge zum Thema Traumaforschung und Taumatherapie

 

Onlinebestellung dieses Buches bei unserem Partner

Liste der rezensierten bzw. präsentierten Bücher

[AGSP] [Aufgaben / Mitarbeiter] [Aktivitäten] [Veröffentlichungen] [Suchhilfen] [FORUM] [Magazin] [JG 2011 +] [JG 2010] [JG 2009] [JG 2008] [JG 2007] [JG 2006] [JG 2005] [JG 2004] [JG 2003] [JG 2002] [JG 2001] [JG 2000] [Sachgebiete] [Intern] [Buchbestellung] [Kontakte] [Impressum]

[Haftungsausschluss]

[Buchempfehlungen] [zu den Jahrgängen]

Google
  Web www.agsp.de   

 

 

 

 

 

simyo - Einfach mobil telefonieren!

 


 

Google
Web www.agsp.de

 

Anzeigen

 

 

 

 


www.ink-paradies.de  -  Einfach preiswert drucken