FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Rezension / Jahrgang 2006

 



Gunther Moll, Ralph Dawirs, Svenja Niescken

»Hallo, hier spricht mein Gehirn«

Eine Entdeckungsreise von der Zeugung
bis zum Schulanfang

- mit Illustrationen von Eva Wagendristel -

Beltz-Verlag, 2006

(148 Seiten, 14.90 Euro)

Die Autoren:
Prof. Dr. Gunther Moll
ist Kinderpsychiater und Leiter der Kinder- und Jugendabteilung für Psychische Gesundheit am Universitätsklinikum Erlangen.
Professor Dr. Ralph Dawirs ist Biologe und leitet die Forschungsabteilung der Kinder- und Jugendabteilung für Psychische Gesundheit am Universitätsklinikum Erlangen.
Svenja Niescken ist Psychologin und Journalistin, Mitarbeiterin verschiedener psychiatrischer Fachgesellschaften und des Jugendzentrums für Psychische Gesundheit ebenfalls am Universitätsklinikum Erlangen.

Der Klappentext macht Appetit:
»Auf amüsante und allgemeinverständliche Weise bieten die Autoren einen umfassenden Einblick in die Entwicklung des kindlichen Gehirns. Sie zeigen, dass alle Erfahrungen, die das Kind vor und nach der Geburt macht, sein Gehirn auf einzigartige Weise formen. In dieser frühen Lebensphase werden also die Weichen für das gesamte spätere Leben gestellt.«

Das Inhaltsverzeichnis:

Hallo, ihr da
Graue Eminenz
ICH bin da!
Ein starker Auftritt
Ich werde Milliardär
Fast fertig
Grund zur Sorge
Wachsen, wachsen, wachsen
Hauptsache, gute Kontakte
Eine ganz besondere Strategie
Betrügerische Signale
Bitte nicht stören
Von Spezialisten und Expertenteams
Blick in die Zukunft
Vorausschauende Planung
Kleinhirn ganz groß
Platzprobleme
Nesthocker
Düstere Gedanken
Zwangsräumung
Erste Hindernisse
Geheimplan
Das Geheimnis meiner Hände
Lieber Tragling als Liegling
Ein toller Knoten
Erschütterungen
Warum schon in die Ferne schweifen?
In der Großhirnrinde ist der Teufel los
Vom Rohling zum Relief
Ich bin ganz Ohr
Es bewegt sich was
Erste Erfolge
Franzis Technik
Fingerfertigkeiten
Oma wundert sich gewaltig
Bewegung ist nicht alles
Erst fühlen, dann handeln
Von ungehobelten Egoisten
Großbaustelle Großhirnrinde
Was ihr wollt
Mein Leben als Windel-Casanova
Tante Else, der Dackel Henry und das Stirnhirnlächeln
Die Sache mit der Erinnerung
Eintritt in die Zeit
Die Welt als Buch
Glossar wichtiger Begriffe
Das Autorenteam

Folgende Textproben demonstrieren die inhaltliche und stilistische Gestaltung.

Aus dem Kapitel 'Graue Eminenz':
»Im weitesten Sinne wird das Gehirn auch als »Organ der Seele« bezeichnet, wobei unsere Wahrnehmungen, Gefühle und Gedanken sowie unser Verhalten insgesamt immer an bestimmte Hirnstrukturen und Hirnfunktionen gekoppelt sind. Zum Beispiel beruht unsere Fähigkeit, mit anderen Menschen respekt- und liebevoll umzugehen, unter anderem auf einer entsprechend angepassten Entwicklung des sogenannten Mandelkerns. Dieser Kern ist eine Art Gefühlsmanager und für unsere emotionalen Reaktionen zutändig. Ohne ihn wäre unser Leben aber nicht nur eintönig, sondern auch gefährlich. Der Mandelkern übernimmt nämlich zum einen die Funktion einer Alarmanlage, die alle Signale aus den Wahrnehmungsarealen des Gehirns bewertet. Bei Gefahr lässt uns der Mandelkern blitzschnell mit Angriffs- oder Fluchtverhalten reagieren. Da ihm dieser Job offenbar nicht reicht, pflegt er außerdem intensive Kontakte zu fast allen anderen Gehirnregionen und arbeitet als eine Art Sekretär im Vorzimmer des Gedächtnisses. Hierbei überprüft er alle eingehenden Signale auf ihre emotionale Bedeutung. Werden Signale als bedeutsam eingestuft, so verhilft ihnen der Mandelkern zu einer Stelle im Langzeitgedächtnis. Andernfalls werden sie wieder hinausgeworfen. Der Mandelkern wird in meinem Gehirn also einmal eine ganz wichtige Rolle spielen. Er wird sicherstellen, dass ich mich in meinen späteren sozialen und gesellschaftlichen Beziehungen in jeder Hinsicht vorteilhaft verhalten kann.« (S. 10/11)

Aus dem Kapitel 'Bitte nicht stören':
»Mamas Freundinnen haben sie schließlich auf die Idee gebracht, sich irgendwelche sündhaft teuren CDs zu kaufen, mit denen sie jetzt regelmäßig ihren Bauch - also MICH - beschallt. »Babytuning« heißt das und soll angeblich dafür sorgen, dass ich klüger, kreativer, musikalischer, schöner und was auch immer werde. Ist bestimmt lieb gemeint. Aber um ehrlich zu sein, bin ich einfach nur genervt: Immerhin leiste ich hier drinnen Schwerstarbeit und verfüge außerdem auch noch gar nicht über die erforderlichen Verarbeitungssysteme im Gehirn, um irgendetwas mit diesem Lärm anfangen zu können. .... Also Mama, falls du das zufällig lesen solltest: Mit ein bisschen beruhigendem Geklimper à la Mozart bin ich voll einverstanden. Aber ansonsten: Schade ums Geld.« (S. 36)

Aus dem Kapitel 'Erschütterungen':
»Aber auch körperliche und seelische Misshandlungen, gegen die ich mich in meiner jetzigen Position auch gar nicht wehren könnte, stellen in diesem Zusammenhang eine ernste Bedrohung für die Entwicklung meines Gehirns dar. Ich hoffe wirklich, dass mir solche Erschütterungen erspart bleiben. Sie könnten die Entwicklung meiner Nervenzellnetze empfindlich treffen und hier Verletzungen erzeugen, die zu unsichtbaren Narben führen, die mich dann mein ganzes Leben lang entstellen können. Eine ganz gefährliche Narbe ist beispielsweise die Unfähigkeit, ein gesundes Selbstvertrauen und Zuversicht in meine eigenen Fähigkeiten zu entwickeln. Dazu brauche ich eilt stabiles Urvertrauen, das jetzt auf gar keinen Fall erschüttert werden darf.« (S. 76)

Aus dem Kapitel 'Großbaustelle Großhirnrinde':
»Meine gesammelten Empfindungen und Erfahrungen schlagen sich nämlich in der synaptischen Feinabstimmung meiner entsprechenden Nervenzellnetze nieder. Somit beeinflussen und prägen mich diese frühen Erfahrungen viel stärker als alle späteren Belehrungen und Bestrafungen zusammen. Auch wenn ich mich an die einzelnen Ereignisse aufgrund meiner 'kindlichen Vergesslichkeit' später gar nicht mehr erinnern kann, haben sie sich doch tief in mein Gefühlsleben eingegraben. Dieses 'emotionale Gedächtnis' wird dann später mein gesamtes Erleben und Verhalten prägen.« (S. 115/116)

Aus dem letzten Kapitel:
»Jetzt muss ich nur noch sicherer, schneller, effizienter und klüger werden. Eine im Vergleich zu meinem bisherigen Werdegang aber relativ leicht zu bewältigende Aufgabe. Vorausgesetzt ich bekomme, was ich jetzt dringend brauche: eine wirklich optimale Schule mit vielen Angeboten, die meinen Hunger nach Neuem stillen und mir nicht den Appetit aufs Lernen verderben. Deshalb übertreibt es bitte nicht. Ich brauche eine Spitzenschule, aber natürlich nicht den ganzen Tag. Ich brauche nämlich auch weiterhin meine Mama und meinen Papa, meine Freunde, viel Freiraum und Freizeit und vor allem auch solche Lebensräume, die ich alleine und mit meinen Freunden erleben und verändern kann.« (S. 136)

Bilanzierende Bewertung:
Die überzeugende - allerdings nicht immer durchgehaltene - didaktische Konzeption sorgt für eine sehr lesbare und launige Textgestaltung, ohne daß die wissenschaftliche Seriosität darunter leidet. Die zahlreichen Risiken von Entwicklungsstörungen kommen etwas zu kurz. Insgesamt ein sehr erfreuliches und lehrreiches Buch besonders für private und professionelle Erzieher.

Kurt Eberhard  (Oktober 2006)

 

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