FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Rezension / Jahrgang 2006

 




Reinhard Wiesner, Gila Schindler,
Heike Schmid

Das neue Kinder- und Jugendhilferecht

Einführung - Texte - Materialien

Bundesanzeiger Verlag 2006
(262 Seiten, 21 Euro)


Prof. Dr. Dr. Reinhard Wiesner ist Ministerialrat im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), Gila Schindler und Dr. Heike Schmid sind Referentinnen im BMFSFJ. Die Autoren waren maßgeblich an der Entstehung von TAG und KICK beteiligt.

Das "Tagesbetreuungsausbaugesetz" (TAG) und das "Kinder- und Jugendhilfeentwicklungsgesetz" (KICK) enthalten wichtige Änderungen  des SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz). Das vorliegende Werk präsentiert nach einer umfassenden Einführung in die Thematik die neuen Vorschriften, systematisch geordnet nach einzelnen Regelungskomplexen:
A. Einführung in das neue Kinder- und Jugendhilferecht
B. Der qualitätsorientierte und bedarfsgerechte Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder
C. Die Verbesserung des Schutzes von Kinder und Jugendlichen vor Gefahren für ihr Wohl
D. Datenschutz in der Kinder- und Jugendhilfe
E. Die Stärkung der fachlichen und wirtschaftlichen Steuerungskompetenz des Jugendamtes
F. die neue Kostenbeteiligung
G. Weitere punktuelle Gesetzesänderungen
Anhang: Materialien

Zur gesellschaftspolitischen Bedeutung der Tagesbetreuung für Kinder erläutern die Autoren:
»Der Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren wird auf mehrere zentrale Gründe gestützt. Er soll

  • den Anspruch von Kindern auf Betreuung, Bildung und Erziehung einlösen,
  • die Eltern bei der Wahrnehmung ihrer Erziehungsverantwortung unterstützen und ergänzen,
  • Eltern die Möglichkeit eröffnen, Erwerbstätigkeit und Familie miteinander zu vereinbaren,
  • eine wesentliche Voraussetzung für die Verwirklichung des Kinderwunsches junger Paare und damit für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft schaffen.

Wie wichtig frühe Förderung ist, belegen Ergebnisse der Hirnforschung. Sie verdeutlichen, dass gerade Kinder in den ersten Lebensjahren über ein erhebliches Lernpotential verfügen, das für ihre emotionale, soziale und kognitive Entwicklung besser genutzt werden kann. Daraus ergeben sich Konsequenzen sowohl für die Stärkung der elterlichen Erziehungskompetenz durch Angebote der Elternbildung als auch für den qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren. Förderung in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege muss nicht nur unterschiedlichen Begabungen Rechnung tragen, sondern auch gesellschaftliche und individuelle Benachteiligungen ausgleichen und damit Chancengerechtigkeit für Kinder schaffen. Dies gilt in besonderer Weise für Kinder mit Migrationshintergrund. Jede Förderung, die Kindern in diesem Alter zugute kommt, wirkt sich positiv auf den weiteren Weg in Schule und Ausbildung aus und sichert damit Lebenschancen. Andererseits werden durch eine unzureichende Förderung von Kindern in dieser Altersgruppe die Weichen für Benachteiligung, Desintegration und Dissozialität gestellt.
     Qualifizierte Tagesbetreuung ist darüber hinaus ein wesentlicher Baustein für eine gelingende Vereinbarkeit von Familie und Arbeitswelt und damit insbesondere die Voraussetzung dafür, dass Frauen und Männer nach ihrer Ausbildung einer qualifizierten Erwerbstätigkeit nachgehen können, und damit auch ein Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit.« (S. 18/19)

Im weiteren Text werden die neuen gesetzlichen Regelungen und die Begründungen des Regierungsentwurfes gebracht.

Die Änderungen zur Verbesserung des Kindesschutzes und die Datenschutzregelungen hängen eng zusammen. Die Autoren kritisieren, daß die Distanzierung der Jugendhilferechtsreform vom Jugendwohlfahrtsgesetz, die Konzeption des SGB VIII als Sozialleistungsgesetz und die Dienstleistungsdebatte den aus dem staatlichen Wächteramt fließenden Schutzauftrag der Jugendhilfe unzulässig zurückdrängten:
»Mit der Einordnung des Sachgebiets Kinder- und Jugendhilfe in das Sozialgesetzbuch ist der Sozialleistungscharakter der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe in den Vordergrund getreten. .... Diese rechtssystematische Neuorientierung war auch eine Antwort auf die Sichtweise des Jugendwohlfahrtsgesetzes, das den staatlichen Eingriff und die Kontrolle in den Vordergrund stellte. In den Folgejahren wurde der sozialleistungsrechtliche Ansatz des Achten Buches Sozialgesetzbuch durch die sog. Dienstleistungsdebatte im Bereich der sozialen Arbeit weiter ausgebaut.
     Einem solchen Dienstleistungsverständnis sind durch den Schutzauftrag der Kinder- und Jugendhilfe zur Abwendung von Gefahren für das Kindeswohl (vgl. auch § 1 Abs.3 Nr. 3 SGB VIII) strukturelle Grenzen gesetzt. Abgesehen davon, dass Hilfe und Kontrolle im Bereich sozialer Arbeit ohnehin nicht streng voneinander getrennt werden können und die strukturelle Ambivalenz der Erziehungshilfe nicht aufgelöst werden kann, kann die Jugendhilfe sich nicht darauf beschränken, Leistungen nur 'auf Antrag' bzw. auf Nachfrage zu gewähren, sondern muss - jedenfalls bei Anhaltspunkten für eine Gefährdung des Kindeswohls - von Amts wegen tätig werden, um sodann eine eigenverantwortliche Entscheidung darüber treffen zu können, ob einer (drohenden) Gefährdung des Kindeswohls besser durch Hilfen mit der und für die Familie oder aber durch eine Anrufung des Familiengerichts begegnet werden kann. .... Um diesem verfassungsrechtlich verankerten Schutzauftrag entsprechen zu können, bedarf das Jugendamt auch eines Informationsverschaffungsrechts, das bisher nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist, sondern nur implizit aus der Pflicht zur Anrufung des Familiengerichts nach § 50 Abs.3 SGB VIII entnommen werden kann. Auch den Eltern obliegt aufgrund ihrer mit der elterlichen Erziehungsverantwortung verbundenen Pflichtenstellung eine Pflicht zur Mitwirkung bei der Klärung der Risikosituation für das Kind oder den Jugendlichen. Schließlich ist der Schutzauftrag durch Vereinbarungen mit den Leistungserbringern auf die Einrichtungen und Dienste freier Träger auszudehnen, in denen Kinder und Jugendliche gefördert werden.« (S. 65/66)

Die leeren Kassen der Kommunen auf der einen Seite und die Kostenexplosion für Jugendhilfeleistungen andererseits haben zu Forderungen geführt, den § 35 a (Eingliederungshilfe für seelische behinderte Kinder und Jugendliche) zu streichen. Dagegen wenden sich die Autoren mit aller Klarheit. Durch die Neuregelung soll aber sichergestellt werden, daß das Jugendamt nicht nur Kosten-, sondern vorrangig Leistungsträger ist.
"Dieses Ziel soll erreicht werden durch Eindämmung der Selbstbeschaffung von Leistungen, zielgenauere Formulierung der Leistungsvoraussetzungen bei der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, Qualitätssicherung bei intensivpädagogischen Maßnahmen im Ausland und die Rückführung dieser Maßnahmen auf Ausnahmefälle" (S.105)

Zu diesem Bereich gehören auch die Änderungen, die eine stärker an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern orientierte Kostenheranziehung ermöglichen.

Bilanzierende Bewertung:
Die Autoren sind aufgrund ihrer maßgeblichen Mitarbeit an der Vorbereitung der Gesetzesentwürfe bestens geeignet, das TAG und das KICK vorzustellen und die Intentionen des Gesetzgebers zu vermitteln. Das Buch ist klar und übersichtlich gegliedert und von hoher Informationsdichte. Die Gegenüberstellung von bisheriger und neuer Fassung, erleichtert die Wahrnehmung und Beurteilung der z.T. sehr bedeutenden Gesetzesänderungen. Besonders den Trägern der Jugendhilfe, Rechtsanwälten und Gerichten, aber auch den Jugendhilfepraktikern an der Basis ist dieser Band sehr zu empfehlen.

Gudrun Eberhard  (Juni 2006)

 

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