FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Rezension / Jahrgang 2006

 



Alexa Mohl

Der Wächter am Tor zum Zauberwald

Therapeutische
und pädagogische Metaphern

Junfermann Verlag 2006, 3. Auflage

(188 Seiten, 15.90 Euro)


Frau Dr. phil. habil. Alexa Mohl ist Psychologin und Soziologin, Leiterin des Alexa-Mohl-Instituts in Hannover, Autorin erfolgreicher Publikationen über Neurolinguistisches Programmieren (NLP) und Leiterin zahlreicher einschlägiger Seminare und Workshops an Hochschulen und für die Praxis.

Im Vorwort und in der Einleitung erläutert die Autorin ihre Absichten:
     »Was in diesen Geschichten die Aufmerksamkeit auf sich zieht, sind innere und äußere Probleme. In allen diesen Geschichten gerät immer irgend jemand in irgendeine schwierige Situation, die er auf irgendeine Art und Weise bewältigt oder in der er versagt. Geschichten vermitteln dem Zuhörer eine interessante Botschaft. Sie stellen Probleme dar, zeigen Lösungen für diese Probleme auf und bieten dem Zuhörer damit neue Möglichkeiten, Zusammenhänge zu erkennen und mit den schwierigen Dingen des eigenen Lebens umzugehen.«
     »In dem hier vorliegenden Buch finden Sie nur Geschichten. Aus der Sammlung der Metaphern, die während meiner Seminartätigkeit und der Beratung mit NLP entstanden sind, habe ich diejenigen ausgewählt, von denen ich glaube, daß sie allgemein menschliche Probleme aufgreifen. Wenn Sie in diesem Buch Geschichten finden, deren Lektüre Ihnen Vergnügen bereitet, oder vielleicht sogar solche, deren Lektüre Ihnen nützlich sein kann, ist meine Absicht erreicht.«

In der Einleitung erhellt sie auch die tieferen Gründe für die Wirksamkeit von Mythen, Märchen und anderen Erzählungen.

Dann folgen 61 sehr verschiedene, in konkreten Problemsituationen erdachte Geschichten – ohne psychologische Erläuterung, um die Assoziationen und Gedanken der Leser nicht einzuengen.

Als Leseprobe soll hier eine der Geschichten vollständig wiedergeben werden und zwar die Titelgeschichte: »Der Wächter am Tor zum Zauberwald«:

»In alten Zeiten gab es einen großen Krieg. Der tobte ein ganzes Menschenleben durch die Lande, zerstörte die Dörfer und Städte, verwüstete die Felder und tötete Männer und Frauen. Als er zu Ende ging, gab es viele Kinder, die ohne den Schutz von Vater und Mutter mit zerrissenen Kleidern, ohne genug Nahrung und ohne ein Dach über dem Kopf umherirrten. Zu ihnen gehörten Anna und Hans, das waren zwei Geschwister, die einander sehr lieb hatten, sich an den Händen hielten und tapfer hinaus in die Welt gingen, um zu tüchtigen Menschen zu werden.
     Auf ihrem Wege durch das verwüstete Land trafen sie einen alten Schäfer. "Wo wollt ihr hin?" fragte der Alte die Kinder. "Wir suchen einen Platz in der Welt, an dem wir schnell erwachsen werden können, um für uns selber zu sorgen", sagte Hans. "Da kann ich euch einen Rat geben", sprach der Alte. "Geht in den Zauberwald am Ende der Welt. Darin findet ihr alles, was euch zu tüchtigen Menschen macht. Aber seid vorsichtig. Am Tor zum Zauberwald steht ein bewaffneter Wächter, der niemanden einläßt. An ihm müßt ihr vorbei, ohne daß er es merkt."
     Hans und Anna gingen ans Ende der Welt und fanden den Zauberwald und den Wächter am Tor. Der war so wachsam, daß er sie schon von weitem erblickt hatte. "Ungesehen können wir nicht mehr an ihm vorbei", sagte Anna. "Aber wenn wir es klug anstellen, merkt er unser Eindringen dennoch nicht."
     Also traten die Kinder auf den Wächter zu und baten um Einlaß. "Es tut mir leid", erwiderte dieser. "Ich darf niemanden einlassen. Ich habe strikten Befehl, das Tor für jedermann geschlossen zu halten. Und ihr könnt euch vorstellen, daß mir das keinen Spaß macht, hier für die Ewigkeit in der Hitze der Tage und der Kälte der Nächte zu stehen und zu wachen."
"Es gibt mehrere Möglichkeiten, ein Tor zu bewachen: man kann stehen, man kann sich hinsetzen, und man kann sich hinlegen", sagte Anna.
"Das ist richtig", sprach der Wächter und verharrte in seiner Position.
"Beim Stehen werden häufig die Beine müde, und man spürt einen Impuls, sich hinzusetzen", sagte Anna. "Ich könnte dir eine Geschichte vorlesen, wenn du möchtest." Der Wächter sah sich um nach einem geeigneten Platz, auf dem er sitzen könnte.
"Und ich frage mich", fuhr Anna fort, "welchen Stein du wählen willst, um dich so bequem wie möglich hinzusetzen."
Und als der Wächter auf einen großen Stein zuging, bat Anna: "Bitte nicht hinsetzen, bevor du deine Waffen abgelegt hast."
"Ich hatte eine Freundin", sprach sie weiter, "die war ganz begierig darauf und konnte es gar nicht erwarten, eine Geschichte zu hören. Ich brauchte nur zu sagen: 'Setz dich hin', und schon war sie bereit zu lauschen."
Der Wächter zögerte noch, als Anna fortfuhr: "Hast du bemerkt, daß du dich hinsetzen kannst, auch wenn du keinen geeigneten Stein findest!" Daraufhin zögerte der Wächter nicht länger und ging auf den Stein zu.
"Bevor du dich setzen darfst, solltest du noch einmal einen Blick in die Ebene werfen", schlug Anna vor. "Und wenn du dann Platz nimmst, können wir das Buch aufschlagen und eine Geschichte heraussuchen, die dir gefällt."
Aber als der Wächter nicht gut auf seinem Stein saß, meinte Anna: "Möglicherweise gelingt es dir, Moos und Laub zu finden, um es dir bequem zu machen." Der Wächter sah sich um, ob etwas zu finden sei, das es ihm bequem machte, während Anna fortfuhr: "Wie bequem kannst du dich hinsetzen?" Endlich saß er. "Möchtest du die Geschichte gleich oder erst nach einer Weile hören ?" fragte Anna, als der Wächter immer noch hin und herrückte, um eine möglichst bequeme Position zu finden, und dann wieder aufstand, um sich herumsah und im Begriffe stand, sich niederzulegen. "Ist das das erste Mal, daß du dich hinlegst, um eine Geschichte zu hören ?" fragte Anna.
"Das ist es", sagte der Wächter und schaute sie erwartungsvoll an. Und Anna begann:

 

"Du schaust in meine Augen
und hörst den Klang meiner Stimme
und nimmst den Duft des Waldbodens wahr.
Und vielleicht kannst du auch deinen Atem spüren,
wie du einatmest und ausatmest.
Und du beginnst, dich wohl zu fiihlen.
Und während du fühlst, wie du auf dem Boden liegst,
schweift dein Blick zu den Wolken,
und du lauschst auf die Stimmen der Vögel.
Und während du dich immer mehr entspannst,
können deine Augenlider schwer werden und zufallen,
Du hörst, wie der Wind durch die Baumwipfel streicht,
und nimmst wahr; wie deine Brust sich hebt und wieder senkt,
und mit jedem Atemzug entspannst du dich weiter:
Deine Augen sind geschlossen,
vielleicht siehst du jetzt innere Bilder;
und du gehst weiter und entspannst dich immer mehr
und kannst diese Entspannung genießen.
Und während du hörst, wie dein Atem einströmt und ausströmt,
kommt vielleicht eine gewisse Müdigkeit in dir auf.
Und während du dich immer weiter entspannst,
kannst du dich immer wohler fühlen.
Deine Gedanken kannst du ziehen lassen wie Wolken im Wind.
Und du weißt, daß du zurückkommen kannst,
wann immer du willst.
Und vielleicht kommt dir jetzt eine Erinnerung
an ein schönes Erlebnis aus der Vergangenheit,
ein Ereignis, das vielleicht lange zurückliegt,
oder vielleicht auch nicht so lange,
das aber so schön war;
daß du den Wunsch hast,
es noch einmal zu genießen,
und dabei alles noch einmal zu sehen,
was du gesehen hast,
alles zu hören, was damals zu hören war,
alle Gefühle noch einmal zu erleben,
die du damals gefühlt hast,
vielleicht gab es auch einen typischen Geruch oder
Geschmack in diesem Erlebnis,
den du wachrufen kannst,
um das alles noch einmal zu genießen
mit allen Sinnen.
Und ich möchte, daß du die Augen nicht eher öffnest,
als bis du dieses Erlebnis noch einmal voll ausgekostet hast."

Nach diesen Worten gab Anna ihrem Bruder ein Zeichen. Und beide schlüpften durch das Tor in den Zauberwald. Wie lange sie dort verweilten und was genau sie darin fanden, kann ich nicht sagen. Die einen berichten von kostbaren Schätzen, andere von großer Weisheit und dritte von Glück. Mag sein, daß sie damit dasselbe gemeint haben. Ich weiß es nicht. Aber es muß etwas gewesen sein, was sie zu tüchtigen Menschen machte.« (S. 175-178)

Diese Geschichte beschreibt gleichzeitig einige der magischen Methoden des NLP. Etwas knapper wäre sie mir lieber gewesen. Das gilt auch für etliche der anderen Beiträge, mag aber vielen Lesern gerade sehr gefallen.

Weil ich in meiner Praxis als Erzieherin und Einzelfallhelferin die Wirkkraft von Märchen, Metaphern und Fabeln immer wieder erfahren habe, kann ich allen privaten und beruflichen Beratern die Lektüre dieser Sammlung nur empfehlen!

Irina Eberhard (April 2006)

 

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