FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Nachrichten / Jahrgang 2007

 

Oberlandgericht Hamm: Kindeswohl bei Entscheidungen
gem. § 1666 (Sorgerechtsentzug) im Vordergrund
– Kinder sind keine immaterielle Manövriermasse –
Familienhilfe kann nicht rund um die Uhr
Schutz gewährleisten




Oberlandgericht Hamm

Beschluss

7UF 165/06 OKG Hamm
5F 181/05 AG Menden

In der Familiensache

N.N. ./. Jugendamt Menden

wird der Antrag der Kindesmutter auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht - Menden vom 5. Mai 2006 (5 F 181/05) zurückgewiesen.

 

Gründe:

Die Beschwerde bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, so dass der Beschwerdeführerin Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden kann.

Das Amtsgericht hat zu Recht der beschwerdeführenden Kindesmutter das Sorgerecht für ihre beiden 1998 und 2002 geborenen Kinder A. und B. entzogen. Die gegen diese Entscheidung gerichteten Einwendungen der Antragsgegnerin greifen nicht durch.

Beide Kinder weisen multiple Verhaltensauffälligkeiten auf, sind während des Zusammenlebens mit der Kindesmutter in erheblichem Ausmaß psychisch und nach den eigenen Angaben der Kinder physisch geschädigt worden. Die schwere Verhaltensauffälligkeit der Tochter A. hat bislang verhindert, dass diese vollständig in eine Pflegefamilie und einen Kindergarten integriert werden konnte. B. weist solche Verhaltensauffälligkeiten auf, dass es in dem Kinderheim, in dem das Kind derzeit noch lebt, immer wieder zu erheblichen pädagogischen Problemen gekommen sind. Ohnehin ergibt sich aus den Berichten der Betreuer der Kinder, dass diese wegen ihrer schweren Vorschäden einen erheblichen besonderen Aufwand an Betreuung und Förderung benötigen. Hierzu ist die Kindesmutter nicht in der Lage.

Die schweren psychischen Schäden der Kinder sind entstanden in einer Zeit, in der die Kinder sich bei der Kindesmutter befunden haben. Ihr ist es nicht gelungen, den Kindern ein Umfeld zu bieten, in denen sie konfliktfrei aufwachsen konnten. Mögen auch die verschiedenen Partner der Kindesmutter ihren Anteil an den schweren Schädigungen der Kinder gehabt haben, so ist doch der Kindesmutter selbst vorzuwerfen, dass sie solche Übergriffe und psychischen oder physischen Misshandlungen nicht verhindert hat. Daher haben die Kinder, auch nach dem Ergebnis des in sich überzeugenden und schlüssigen Gutachtens Angst vor der Kindesmutter und keineswegs den innigen Wunsch, zu dieser zurückzukehren.

Schwerwiegend fällt ins Gewicht, dass die Beschwerdeführerin am 27.09.2004 dem Jugendamt gegenüber erklärt hat, sie wolle die Kinder zur Adoption freigeben. In der Folgezeit sind die Kinder aufgrund dieser Erklärung aus ihrem Haushalt genommen worden. Der Kindesmutter ist geraten worden, sich unverzüglich einer Therapie zu unterziehen. Wie sich aus der Stellungnahme ihres späteren Psychotherapeuten vom 15.03.2006 ergibt, hat sie sich jedoch erst am 10. Juni 2005, also neun Monate später, zur Therapie angemeldet. Das Jugendamt hatte noch im Jahre 2004 der Mutter signalisiert, ggf. könnten die Kinder im Falle einer erfolgreichen Therapie zu ihr zurückkehren. Wenn die Kindesmutter sodann mehrere Monate in die Türkei fährt, um sich zu erholen und erst neun Monate später sich um einen Platz bei einem Therapeuten bemüht hat, der letztendlich erst im November 2005 nach Klärung der Probleme mit den Krankenkassen mit der Therapie beginnen konnte, so hat sie die ihr von dem Jugendamt gewährte Chance nicht genutzt. Kinder stellen keine immaterielle Manövriermasse dar, die frei nach Belieben der Eitern hin- und hergeschoben werden können. Zum Wohle der Kinder ist es notwendig, dass diese nicht immer befürchten müssen, nach dem augenblicklichen Willen anderer Personen ihren Lebensmittelpunkt verändern zu müssen.

Die solchermaßen bereits vorgeschädigten Kinder benötigen dringend die gebotene Sicherheit, und das Vertrauen darauf, in einem funktionierenden Umfeld aufwachsen zu können. Dieses Vertrauen kann die Kindesmutter auch dann ihnen nicht geben, wenn sie vom Jugendamt entsprechend unterstützt wird. Denn eine solche pädagogische Familienhilfe kann nicht rund um die Uhr den Schutz der Kinder gewährleisten.

Soweit der Diplom-Psychologe W. in seinem Schreiben vom 15. März 2006 ausführt, „eine getrennte Unterbringung der Geschwister und der Entzug des Sorgerechts bei gleichzeitiger Verweigerung eines Besuchsrechts der Mutter erscheint mir vollkommen unangemessen", so überzeugt dies schon deshalb nicht, weil Herr W. lediglich als Therapeut der Kindesmutter eine solche Erklärung abgegeben hat. Die Kinder sind von ihm nie gesehen, geschweige denn begutachtet worden. Nach dem ganzen Inhalt dieses Schreibens geht es ihm auch ausschließlich um das Wohl der Kindesmutter, nicht aber das Wohl der Kinder. Dieses muss für die getroffene gerichtliche Entscheidung gem. § 1666 BGB jedoch im Vordergrund stehen.

Da die eingelegte Beschwerde somit keine Erfolgsaussicht bietet, kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht. Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand verspricht eine mündliche Verhandlung keine weiteren sachdienlichen Erkenntnisse. Der Senat beabsichtigt daher, die Beschwerde nach Ablauf einer Frist zur Stellungnahme von 2 Wochen, ggf. Rücknahme des Rechtsmittels, im schriftlichen Verfahren zurückzuweisen und den vorsorglich anberaumten Verhandlungstermin wieder aufzuheben.

Hamm, den 13.September 2006
Oberlandgericht
7. Senat für Familiensachen

 

 

[AGSP] [Aufgaben / Mitarbeiter] [Aktivitäten] [Veröffentlichungen] [Suchhilfen] [FORUM] [Magazin] [JG 2011 +] [JG 2010] [JG 2009] [JG 2008] [JG 2007] [JG 2006] [JG 2005] [JG 2004] [JG 2003] [JG 2002] [JG 2001] [JG 2000] [Sachgebiete] [Intern] [Buchbestellung] [Kontakte] [Impressum]

[Haftungsausschluss]

[Buchempfehlungen] [zu den Jahrgängen]

Google
  Web www.agsp.de   

 

 

 

 

 

simyo - Einfach mobil telefonieren!

 


 

Google
Web www.agsp.de

 

Anzeigen

 

 

 

 


www.ink-paradies.de  -  Einfach preiswert drucken