FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Diskussion / Jahrgang 2003

 

Mit diesem Schreiben wollen wir unseren Unmut und Protest gegen den vorliegenden Entwurf AV-Vollzeitpflege zum Ausdruck bringen.

 

 

Mein Mann und ich haben uns 1998 entschieden, behinderte Kinder in Vollzeitpflege (unbefristet) in unserer Familie zu betreuen, zu pflegen und zu fördern. Das setzte eine völlige Umorganisation unseres Familienlebens voraus und die Bereitschaft aller Familienmitglieder dazu. Wir Pflegeeltern haben, um dieser verantwortungsvollen, schönen Aufgabe gerecht werden zu können, unsere "normale" Berufstätigkeit aufgegeben, ein großes behindertenfreundliches Haus zuerst gemietet, dann eins gebaut, einen VW-Bus angeschafft, um unsere Rolli-Kinder transportieren zu können und, und, und. Wir hatten die Möglichkeit, alle Chancen und Risiken zu diskutieren, abzuwägen und uns frei zu entscheiden. Jetzt, nach fünf Jahren "erfolgreicher Pflegefamilie", sehen wir uns mit dem "Aus!" für all unsere Bemühungen konfrontiert. Behinderte Kinder (unsere sind schwer mehrfach behindert und waren beide als "schwer vermittelbar" oder "nicht familienfähig" eingestuft worden) sind nicht nur eine Bereicherung für unser Leben, sie sind (und das muß man sagen dürfen) auch eine große Belastung. Wer sich dieser Belastung aussetzt und stellt, muß wirtschaftlich aber auch so gestellt sein, daß er diese auch tragen ~ und nicht zusätzlich noch wirtschaftliche/finanzielle Schwierigkeiten "auskämpfen" muß. Es muß sich rechnen, wenn man 365 Tage im Jahr im 24-Stunden-Dienst ist. Wir haben keinen Anspruch auf Krankengeld oder gar Vertretung im Krankheitsfall, keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub, keine Altersvorsorge. Wir haben all dies bisher selber "organisiert" und bezahlt. Es ging so ganz gut. Mit diesen AV wäre alles dahin - wir müßten mehrere Kinder aufnehmen, um dasselbe wirtschaftliche Level zu erreichen; das wiederum ginge zu Lasten der Qualität bzw. scheitert schon an den Bestimmungen der AV.

Dieses von uns und vielen anderen uns bekannten Pflegefamilien gelebte Modell, behinderten oder benachteiligten Kindern eine warme Familiensituation zu bieten und einen möglichst gut

vorbereiteten Start ins "eigene" Leben, ist mit diesen AV zum Scheitern verurteilt. Wohin sollen all diese Kinder, wenn selbst bestehende Verträge (die unter anderen Vorraussetzungen geschlossen wurden!), keinen Bestandsschutz genießen?

Wer soll die vielfach höheren Heimkosten zahlen, wenn Pflegefamilien ins wirtschaftliche Abseits gedrängt werden? Und ein ganz wichtiger Punkt ist auch die Qualifikation von Pflegeeltern für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf. Es darf keine Schmalspurausbildung geben zu Lasten der Befähigung von Pflegeeltern. Entweder muß eine berufliche Eignung (med., psych., päd., sozialpäd.) vorliegen oder eine angemessene Pflegeelterschule absolviert werden - wie bisher.

Diese AV dürfen so nicht zur Anwendung kommen, wenn das Wohl der zu vermittelnden Kinder weiter der bestimmende Faktor sein soll. Wir erwarten breite Diskussionsforen von und mit Leuten, die etwas davon verstehen, wie Vollzeitpflege vorbereitet, durchgeführt und wirtschaftlich abgesichert wird.

Niemand sollte per Dekret bestimmen, wieviele Kinder jemand betreuen darf. Niemand sollte einem behinderten oder benachteiligten Kind die heilpädagogische Tagespflege verwehren dürfen. Das Land Berlin sollte froh sein über jede Familie, die bereit ist, Verantwortung für "fremde" Kinder zu übernehmen, sie zu pflegen und zu erziehen wie eigene - denn billiger als in Familie geht es nicht! Wir wollen "das Rad doch nicht neu erfinden". Wir wollen im Gegenteil das Berufsbild ’Pflegeeltern’ und bis dahin: Werbung für mehr Familien, gute Auswahl und Qualifikation, verantwortungsbewußte Vermittlung und auch gute Kontrolle.

Aber nicht: Kaputtreglementieren, Entmündigen und Totsparen einer bewährten Hilfeform! Wir befürchten, daß mit den AV die Vermittlung heilpädagogischer Kinder in Pflegefamilien schlechterdings unmöglich wird und die Pflegestellen deutlich abgebaut werden. Das darf nicht sein - im Interesse unserer Kinder!

Gerlinde und Michael Bogisch (Feb. 03)

 

 

 

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