FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Diskussion / Jahrgang 2007

 

Stärkung der Erblasser-Rechte

Reform des Erbrechts: Änderungen des Pflichtteilsrechts und Berücksichtigung häuslicher Pflege

von Michael Bohrmann

 

LAMPERTHEIM Die Ankündigung der Bundesjustizministerin, die Rechte des Erblassers durch eine Gesetzesreform zu stärken, war Gegenstand des einleitenden Beitrags in der vergangenen Freitagsausgabe. Heute sollen nun die Einzelheiten dieses Reformvorhabens näher dargestellt werden.  

Zunächst ist beabsichtigt, die Schutzvorschriften zugunsten von pflichtteilsberechtigten Angehörigen einzuschränken. Das bisher geltende Recht sieht insoweit vor, dass Schenkungen, die der Erblasser an Dritte macht, dem Nachlass zugerechnet werden. Dieser wird also so behandelt, als ob die Schenkung nicht stattgefunden hätte. Damit erhöht sich der Nachlasswert um die hinzugerechnete Schenkung und damit gleichzeitig der Pflichtteilsanspruch entsprechend. Diese Zurechnung beziehungsweise Erhöhung des Pflichtteils unterbleibt jedoch, wenn zwischen der Schenkung und dem Tod des Erblassers mehr als zehn Jahre vergangen sind. Hierbei handelt es sich um eine absolute Frist, das heißt, es kann in der Praxis um Tage gehen.

Dies soll nun dergestalt geändert werden, dass die Schenkung für die Pflichtteilsberechnung stufenweise immer weniger Berücksichtigung findet, je länger sie zurück liegt. Eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall wird demnach voll in die Berechnung des Nachlasses einbezogen, im zweiten Jahr jedoch nur noch zu 9/10, im dritten Jahr zu 8/10 und so weiter berücksichtigt.

Zentraler Punkt der Reform ist des Weiteren die Überarbeitung der so genannten Pflichtteilsentziehungsgründe. Bislang ist es nur sehr eingeschränkt möglich, einem Angehörigen sein gesetzliches Pflichtteilsrecht zu entziehen. Die Entziehungsgründe sollen vereinheitlicht werden, indem sie künftig für Abkömmlinge, Eltern und Ehegatten oder Lebenspartner gleichermaßen Anwendung finden. Bislang gelten hier Unterschiede, für die es nach Auffassung des Bundesjustizministeriums keinen sachlichen Grund gibt. Darüber hinaus sollen künftig alle Personen geschützt werden, die dem Erblasser, einem Ehegatten, Lebenspartner oder Kindern vergleichbar nahe stehen, zum Beispiel Stief- und Pflegekinder. Eine Pflichtteilsentziehung soll auch dann möglich sein, wenn der Pflichtteilsberechtigte diesen Personen nach dem Leben trachtet oder sie körperlich schwer misshandelt. Nach derzeitiger Gesetzeslage ist dies nur bei entsprechenden Vorfällen gegenüber dem Erblasser, seinem Ehegatten, Lebenspartner oder seinen Kindern möglich.

Ferner ist beabsichtigt, den Entziehungsgrund des "ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels" zu streichen, da er zum einen zu unbestimmt ist und zum anderen einfach nicht mehr in die heutige Zeit passt. Stattdessen soll künftig eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung zur Entziehung des Pflichtteils berechtigen, wenn es dem Erblasser unzumutbar ist, dem Verurteilten seinen Pflichtteil zu belassen. Gleiches soll bei Straftaten gelten, die im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen wurden. Da es sich bei dem Pflichtteilsanspruch um einen sofort fälligen Zahlungsanspruch handelt, sind die Erben oftmals gezwungen, den Nachlass "zu versilbern". Dies ist besonders bitter, wenn das ererbte Elternhaus betroffen ist. Der vorgelegte Entwurf sieht deshalb vor, die bisherige, nur sehr eingeschränkte Stundungsmöglichkeit zu erweitern, um damit die Stundung unter erleichterten Voraussetzungen und für jeden Erben durchsetzbar zu machen, soweit eine "unbillige Härte" vorliegt.

Aber auch außerhalb des Pflichtteilsrechts soll das Erbrecht nach der Darstellung des Bundesjustizministeriums vereinfacht und modernisiert werden. Ein für die familien- und erbrechtliche Praxis bedeutender Punkt ist die bessere Berücksichtigung von Pflegeleistungen im Rahmen einer Erbauseinandersetzung. Trifft ein Erblasser keine Regelung in seinem Testament, erbt derjenige, der unter Umständen über Jahre hinweg Pflegeleistungen erbracht hat, genauso viel wie zum Beispiel Geschwister, die sich nicht um die Eltern kümmern konnten oder wollten. Schlimmstenfalls geht er sogar leer aus. Erbrechtliche Ausgleichsansprüche gibt es nur für einen Abkömmling, der unter Verzicht auf berufliches Einkommen den Erblasser über längere Zeit pflegt. Künftig soll jeder gesetzliche Erbe einen Ausgleich für Pflegeleistungen erhalten, und zwar unabhängig davon, ob er für die Pflegeleistungen auf ein eigenes berufliches Einkommen verzichtet hat. Die Bewertung der Leistungen soll sich an der gesetzlichen Pflegeversicherung orientieren. Der Entwurf wurde zunächst an alle weiteren zuständigen Ministerien übermittelt und wird dann in den politischen Gremien diskutiert. Wann und mit welchem endgültigen Inhalt letztendlich eine Erbrechtsreform in Kraft treten wird, kann deshalb im Moment nicht gesagt werden.

Der Autor ist Rechtsanwalt und Notar sowie Fachanwalt für Familienrecht, Ernst-Ludwig-Straße 48, 68623 Lampertheim, Telefon 06206/18020.

 

 

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