FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Diskussion / Jahrgang 2004

 

Frühjahrsputz gegen Vorurteile

von Andrea Trautmann, Pflegemutter,
Vorstandsmitglied im Berliner Aktivverbund 'Pflegeeltern für Pflegekinder'

 

 

Wer kennt sie nicht, die Sprüche, die sich Pflegeeltern oft gefallen lassen müssen. Sie seien Laien, sie seien fachlich nicht auf der Höhe. Wenn sie für ihre Rechte eintreten, dann sind sie „profilierungssüchtige Laien“. Nein, ins Gesicht sagt man ihnen das nicht, das passiert sehr viel subtiler. In meiner jahrelangen ehrenamtlichen Tätigkeit in einem Pflegeelternverein konnte ich das gut beobachten. Vielen Sozialarbeitern fällt es sehr schwer, uns Pflegeeltern als gleichwertige berufliche Partner zu akzeptieren. Das neueste Beispiel ist die Tatsache, dass bei den geplanten Änderungen im Berliner Pflegekinderwesen die Pflegeeltern nicht in die Diskussion einbezogen werden. Ihre Argumente und Vorschläge werden seit Jahren ignoriert.

In den vergangenen Wochen konnten wir mit vielen Pflegeeltern reden, ihre Argumente anhören, ihre Wünsche und Ängste. Ein Thema war hierbei die immer wieder spürbare Arroganz gegenüber den Pflegeeltern. Es gibt viele sehr gute Beispiele vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen Pflegeeltern und Sozialarbeitern in Bezirksämtern und bei Freien Trägern. Aber es gibt eben auch die andere Seite. Und damit wollen wir jetzt aufräumen.

Kein Tischler, der gerade seinen Gesellenbrief erhalten hat, würde sich anmaßen, seinen Kollegen, der seit 15 Jahren im Beruf arbeitet, einen Laien zu nennen oder sich über ihn zu erheben. Die Mitarbeiter im Pflegekinderdienst aber haben noch nicht einmal einen einschlägigen Gesellenbrief. Jeder Psychologiedozent hat selbst mit Menschen gearbeitet, jeder Schuldirektor hat selbst Kinder unterrichtet, jeder Medizinprofessor hat schon selbst behandelt, jeder Schwimmlehrer sollte schwimmen können. Im Pflegekinderwesen aber übernehmen oft Leute Beratungs- und Ausbildungsaufgaben, die noch nie etwas mit Pflegekindern zu tun hatten. Die sagen den Pflegeeltern, wo es langgehen soll und vergessen, dass viele von diesen eine adäquate, oft eine bessere Ausbildung haben, plus jahrelange Erfahrungen mit Pflegekindern.

Es ist bis zum heutigen Tage nicht gelungen, das Pflegekinderwesen aus seinem stiefmütterlichen Dasein herauszuholen und in der Öffentlichkeit und Politik eine entsprechende Achtung vor der Arbeit dieser Familien zu schaffen. Die Äußerungen mancher Politiker und Verantwortlicher in diesen Tagen, wo Pflegeeltern um ihre Rechte streiten, sprechen Bände: Pflegeeltern wollen die Kinder nicht mehr hergeben, wenn sie diese erst einmal haben. Pflegeeltern sind Besitzstandswahrer. Sie entwickeln sich im Beruf nicht weiter, um es sich zu Hause mit den Pflegekindern gemütlich zu machen.

So wie der Staat das Einführen von Dumpinglöhnen zulässt und Menschen gezwungen werden können, für 3 Euro die Stunde zu arbeiten, so sollen jetzt auch heilpädagogische Erziehungsgelder zu Billigpflegesätzen werden.

Nicht die formale Qualifikation bestimmt das professionelle Niveau, sondern die spezifischen Leistungen, die in den Pflegefamilien erbracht werden. Wir finden im Pflegekinderwesen ein deutliches Gefälle hinsichtlich der Chancenverteilung, der Bezahlung und der professionellen Akzeptanz. Am unteren Ende dieser Hierarchie stehen die Pflegeeltern.

Familienpflege findet an einem Schnittpunkt statt. Dieser liegt zwischen dem professionellen Handeln der Pflegekinderdienste und der sogenannten Laientätigkeit der Pflegeeltern. Der folgende Vergleich beider Gruppen zeigt jedoch erstaunliche Ähnlichkeiten im Anspruchsniveau.

 

Pflegekinderdienst

Pflegestelle

Rechte

Macht durch Handeln im Namen des öffentlichen Rechts

Familiale, nach innen gewandte Rechte, begrenzte Stellvertretung für das Kind

Qualifikation

Einstellungsvoraussetzung:
allg. Sozialarbeiterqualifikation, Fortbildung wird erwartet

Einstellungsvoraussetzung:
Erfahrungen in familialer Erziehung, Grundkenntnisse im Pflegkinderwesen, Fachwissen durch erzieherische Praxis (berufl. Qualifikation von heilpäd. PE liegt z.T. auf der Ebene der PKD-Mitarbeiter, z.T. darüber)

Personenbezogene Kompetenzen

Empathie, Arbeitsdisziplin, Soziale Verlässlichkeit, Kontinuität im Denken und Handeln, Nähe und Distanz handhaben, Selbstreflexion, psychosoziale Diagnostik, Rechts– und Verwaltungskenntnisse

Empathie, Arbeitsdisziplin, Soziale und emotionale Verlässlichkeit, liebevolle Bindungsbereitschaft, Kontinuität im Denken und Handeln, Nähe und Distanz handhaben, Selbstreflexion, Situationsdiagnostik.

Besonderheiten

Schwierige Balance zw. Beratung sowie Stützung der Pflegefamilie einerseits und Respektierung der familiären Autonomie sowie der heilerzieherischen Kompetenz der PE andererseits

PK sind i.d.R. traumatisierte Kinder, bedürfen mehr der Heilung als der Erziehung. Erfahrene PE verfügen deshalb über mehr therap. Kompetenz als die meisten PKD-Mitarbeiter

Arbeitszeit

Zwischen 6 und 10 Std. täglich

24 Std. tägl. (incl. Wochenenden)

Beide Aufgaben - die der PKD-Mitarbeiter und die der Pflegeeltern - können also als sehr anspruchsvoll gelten. Die Pflegeeltern haben aber weniger Prestige, niedrigeren Lohn, schlechtere Sozialsicherung und längere Arbeitszeiten. Ist es wieder eine ihrer dreisten Ansprüchlichkeiten, wenn sie endlich mehr Anerkennung einfordern?!

 

 

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