FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Artikel / Jahrgang 2011 +

 

Zum 65. Geburtstag von Ludwig Salgo

von Michael Coester

 

Am 24.11.2011 vollendete Professor Dr. Ludwig Salgo sein 65. Lebensjahr – nicht das Ende eines Lebensabschnitts, wohl aber doch ein hervorhebenswerter Markstein in einem dem Kindschafts- und Jugendrecht gewidmeten Berufsleben. Mit diesem Fachgebiet ist der Name „Salgo“ so eng und intensiv verknüpft, dass sein Träger der Leserschaft dieser Zeitschrift kaum mehr vorgestellt werden muss. Person und Werk sind jedoch eng miteinander verknüpft und sollen hier zumindest kurz skizziert werden.

Ludwig Salgo wurde 1946 in Budapest geboren und wuchs dort die ersten zehn Jahre seines Lebens auf. Nach der Niederschlagung des Volksaufstandes in Ungarn flüchtete er 1956 nach Deutschland und setzte – bei gleichzeitigem Erlernen der deutschen Sprache – seine Schulausbildung hier fort. Nach dem Abitur 1968 studierte er Recht und Gesellschaftswissenschaften in Tübingen und Frankfurt/Main, mit abschließendem Zweiten Staatsexamen im Jahr 1977. Es folgten fünf Jahre Anwaltstätigkeit in einer selbst mitgegründeten Anwaltskanzlei in Frankfurt. Während dieser Zeit zeichnet sich allerdings schon – ausweislich seines Literaturverzeichnisses – sein Interesse für eine wissenschaftlich vertiefte Behandlung von Problemen ab, und ebenso sein Gespür und Engagement für gesellschaftliche Personengruppen „ohne Stimme“ bzgl. ihrer spezifischen Probleme (Strafentlassene; Pflegekinder).

Dies führte konsequent zu einem vollberuflichen Wechsel in die Wissenschaft im Jahre 1982 – zunächst als Assistent an der Universität Frankfurt bei Prof. Dr. Spiros Simitis. Hier promovierte Salgo 1987 „summa cum laude“ zum Dr. jur.: Seine Arbeit „Pflegekindschaft und Staatsintervention“ fand außergewöhnliche Beachtung in der Literatur und in der Öffentlichkeit und wurde mit dem Walter-Kolb-Preis der Stadt Frankfurt 1988 ausgezeichnet.1 Auch heute noch gilt diese Arbeit als Fundament moderner, d.h. kindesorientierter Rechtspolitik im Pflegekindschaftswesen (sie wurde gar als Paradigmenwechsel bezeichnet).2

Schon 1988 wurde Ludwig Salgo Professor – zunächst an der Fachhochschule für Sozialwesen in Esslingen, ab 1992 an der Fachhochschule Frankfurt/Main, Fachbereich Sozialpädagogik. Seine wissenschaftliche Produktivität litt unter den Lehrverpflichtungen nicht: Zahlreiche Aufsätze dokumentieren seine intensive Hinwendung zum Kindschaftsrecht, die dann 1993 in seinem zweiten Großwerk mündete, dem „Anwalt des Kindes“:3 Zunächst eine rechtsvergleichende Untersuchung im Auftrag des BMJ, gleichzeitig dann aber auch Grundlage seiner Habilitation für die Fächer Zivil- und Sozialrecht an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt/Main im Jahr 1994, an der Salgo dann fünf Jahre später auch zum apl. Professor (neben seiner Professur an der FH Frankfurt) ernannt wurde.

Die rechtswissenschaftliche und rechtspolitische Bedeutung seines zweiten Buches kann kaum überschätzt werden. Sie zeigt sich nicht nur in einer raschen, überarbeiteten
2. Auflage 1996, sondern v.a. auch in der weiteren Rechtsentwicklung in punkto „Vertretung der Kindesinteressen im familiengerichtlichen Verfahren“ in Deutschland: Die erstmalige Schaffung eines unabhängigen Interessenvertreters des Kindes im KindRG 1998 („Verfahrenspfleger“) fußt auf Salgos Vorarbeiten, insbesondere auch seinen rechtsvergleichenden Informationen in seinem Werk von 1993, und auch die weiteren Reformen in dieser Hinsicht bis hin zum heutigen Verfahrensbeistand gem. § 158 FamFG stellen sich als Fortentwicklung (wenngleich noch nicht als Vollendung) im Sinne seiner Gedanken und Vorschläge dar.

Wissenschaftlich ergänzt wird die Untersuchung Salgos durch seine zahlreichen einschlägigen Aufsätze, aber auch durch zwei weitere gewichtige Bücher, die Salgo herausgegeben und teilweise auch inhaltlich mitverfasst hat: „Vom Umgang der Justiz mit Minderjährigen“ (1995) und das Handbuch „Verfahrenspflegschaft“ (2002), das nunmehr in 2., aktualisierter Auflage 2010 vorliegt („Verfahrensbeistandschaft“). Salgo schildert hier selbst noch einmal detailliert die Entwicklung und Grundfragen einer unabhängigen Interessenvertretung des Kindes.4

Die beruflichen Aktivitätsfelder von Ludwig Salgo sind facettenreich. Der Wissenschaftler tritt schon deutlich aus der vorstehenden Schilderung seines Lebens-und Schaffensweges hervor. Diese Schilderung wäre jedoch unvollständig ohne die Erwähnung jedenfalls eines Schwergewichts seiner sonstigen Publikationen (neben einer kaum noch überschaubaren Zahl von Aufsätzen und sonstigen Beiträgen): Dies sind seine Kommentierungen des materiellen Kindschaftsrechts im renommierten Staudinger Kommentar,5 in denen Salgo materiellrechtliche Kompetenz und Akribie mit seiner einzigartigen Vertrautheit mit der familiengerichtlichen und jugendhilferechtlichen Praxis, aber auch den Erfahrungen in anderen Ländern sowie den jeweiligen rechtspolitischen Hintergründen zu vereinen weiß.

Damit ist aber auch schon die Brücke geschlagen zu anderen Facetten des Phänomens „Salgo“: Der Rechtsvergleicher bemüht sich durch Übersetzungen, Initiation rechtsvergleichender Tagungen sowie durch eigene Auslandsstudien (insbesondere auch 1996/97 als Fellow am Collegium Budapest – Institut for Advanced Studies) um intensiven Gedankenaustausch und Nutzbarmachung ausländischer Erfahrungen für die deutsche Rechtspolitik. Dies spiegelt sich auch in zahlreichen von ihm betreuten Dissertationen wider.

Der Rechtspolitiker Ludwig Salgo zeichnet sich durch enge Verbindung und Kooperation mit den rechtsgestaltenden Institutionen in Deutschland aus (wozu auch das BVerfG gerechnet werden darf). Ein diesbezüglicher Einfluss ist schon im Rahmen seiner oben dargestellten Arbeiten zur Pflegekindschaft und zum „Kindesanwalt“ deutlich geworden. Daneben fungiert Ludwig Salgo aber auch als immer wieder nachgefragter Experte und Berater für Ministerien, den Deutschen Bundestag oder als Gutachter für das BVerfG – bis in die jüngste Gegenwart hinein.6

Nachgefragt wird er bemerkenswerterweise von allen politischen Lagern gleichermaßen – „parteilich“ ist Ludwig Salgo nur zugunsten von Kindern. Das Bild von Ludwig Salgo bliebe dennoch unvollständig, würde man nicht auf seine weitere Kompetenz und Erfolge im interdisziplinären Diskurs hinweisen. Das interdisziplinäre Gespräch zwischen Humanwissenschaften (im weitesten Sinne) und Juristen erweist sich oft als mühsam und selten als wirklich fruchtbar. Salgos gesamte Arbeit hingegen ist von interdisziplinärer Fundierung geprägt. Psychologie und Kinderpsychiatrie, Pädiatrie und Sozialpädagogik werden in ihren Konsequenzen für die Rechtsentwicklung im Bereich von Kinderschutz und Scheidungsfolgen, von Jugendhilfe, Pflegekindschaft, Adoption und Vertretung von Kindesinteressen differenziert gesichtet und ausgewertet.

Dem entsprechen zahlreiche Publikationen in Zusammenarbeit mit einschlägigen in- und ausländischen Wissenschaftlern sowie seine häufige Präsenz als Referent auf interdisziplinären Kongressen. Auch die interdisziplinär zusammengesetzte Kinderrechtekommission des Deutschen Familiengerichtstags profitiert seit vielen Jahren von seiner fachübergreifenden Kompetenz.

Eng verbunden mit dieser fachlichen Offenheit Salgos, aber auch kennzeichnend für sein uneingeschränktes Engagement für „die Sache“, ist sein häufiger und bereitwilliger Einsatz im Bereich der Fortbildung von Juristen, aber auch Mitarbeitern der Jugendhilfe – sei es durch Vorträge, Organisation von Tagungen oder auch „nur“ als Ansprechpartner in konkreten Problemfällen – sowie in seinem jahrzehntelangen Engagement im Deutschen (und Frankfurter) Kinderschutzbund.

Mit seiner fachlichen Kompetenz, aber auch seiner Gabe, in anderen Kommunikationswelten außerhalb des Rechts gehört und verstanden zu werden, gelingt es Ludwig Salgo, die Bedürfnisse und Interessen von Kindern fachübergreifend („ganzheitlich“) deutlich zu machen und zu fördern. Gelegentlich wird sein Auftreten dabei als „zu kämpferisch“ kritisiert. Ludwig Salgo kämpft jedoch nicht mit oder gegen irgendjemanden, sondern er kämpft stets für etwas – nämlich die Interessen von Kindern im Allgemeinen oder im Einzelfall. Er hat sich – wie eingangs dargestellt – u.a. besondere Verdienste um die Einführung und Verbesserung der Institution des „Kindesanwalts“ erworben. Der beste Anwalt der Kindesinteressen im Bereich von Kinderschutz und Kindesrechten in Deutschland ist allerdings er selber – und wird es hoffentlich noch lange bleiben. Alles Gute zum Geburtstag!

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Der Autor Prof. Dr. Michael Coester ist Prof. em. Für Bürgerliches Recht, IPR und Rechtsvergleichung an der LMU, München.
 

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1 Pflegekindschaft und Staatsintervention, Darmstadt, 1987; besprochen von Münder, RdJB 1988, 196; Klußmann, FamRZ 1988,581; Finger, ZfJ 1988, 187; Wienand, ArchSozArb 1988, 234; Renn, IDAS 1/88 IV; Bienwald, ZfJ 1988,574; Ell, UJ 1989, 574.

2 Klußmann, a.a.O., 582.

3 Der Anwalt des Kindes – die Vertretung von Minderjährigen in zivilrechtlichen Kindesschutzverfahren – eine vergleichende Studie, Köln 1993; 2., erweiterte Auflage, Frankfurt am Main 1996. Besprochen von Fehmel, FuR 1993, 360; Coester, FamRZ 1994, 1016; Jürgens, BtPrax 1994, Beilage zu Heft 1, S 3; Balloff, Sozialmagazin 1994, 55; Hegnauer, Zeitschrift für Vormundschaftswesen (Schweiz) 1994, 181; Büchner, RdJB 1994, 413.

4 Die einzige Schwäche dieses Buches liegt im Understatement seines Titels „Verfahrensbeistandschaft“ – das Werk bietet auch detaillierte und gut aufbereitete Informationen über Grundfragen des Familienund insbesondere Kindschaftsrechts (insbesondere in Teil 3 und 4) und gehört eigentlich auf den Schreibtisch jedes Praktikers des Kindschaftsrechts.

5 §§ 1631, 1631a, 1631b, 1631c, 1632, 1682, 1687, 1687a, 1687b, 1688 und Gesetz über religiöse Kindererziehung – alle Kommentierungen seit 1997 in ständigen Neuauflagen bis zur Gegenwart.

6 Vgl. jüngstens: Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Bundeskinderschutzgesetzes, BT-Drs. 17/6256 v. 22.06.2011, ZKJ 2011, S. 419.

 

Mit freundlicher Genehmigung der ZKJ (Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe)

 

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