31.01.03
Zu der Eingabe wegen
- Beschwerde über geplante Kürzungen des Erziehungsgeldes und andere Änderungen
- Verbesserung der Situation von Pflegefamilien
Zu der obigen Eingabe wird wie folgt Stellung genommen:
Die von den Petenten vorgelegte Stellungnahme bezieht sich auf den Entwurf einer Ausführungsvorschrift über Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege (Stand; 22.10.02).
Der Entwurf, einschließlich Leistungsbeschreibung und Leitfäden zur Feststellung der Eignung und Auswahl von Erziehungspersonen und zur Ermittlung des (erweiterten} Förderbedarfs des Kindes, ist das Ergebnis von zwei Arbeitsgruppen mit den Bezirken, der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport und dem Landesjugendamt.
Bei allem Verständnis für die Sorge der engagierten Pflegeeltern hinsichtlich der vorgesehenen Neuregelungen und der damit verbundenen Veränderungen, ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Text um einen Entwurf handelt, der noch auf verschiedenen Ebenen hausintern in der Verwaltung und gemeinsam mit den Bezirken geprüft wird, bevor das erforderliche Beteiligungs- und Mitzeichnungsverfahren mit allen Beteiligten eingeleitet werden kann.
Die Sorge von Pflegeeltern heilpädagogischer Pflegestellen, die langjährige Verantwortung für ihre Pflegekinder übernommen haben und mit der vorgesehenen Neustrukturierung im Bereich der Hilfen zur Erziehung in Vollzeitpflege ihre Zukunftsperspektive bedroht sehen, ist nachvollziehbar. Zur Gewährleistung des Vertrauensschutzes und der Beziehungskontinuität sind daher angemessene Übergangsregelungen für alle bestehenden Pflegeverhältnisse vorgesehen.
Unabhängig von den zu erwartenden Umstellungen für alle Beteiligten ist hervorzuheben, dass mit der Neuregelung Strukturveränderungen eingeleitet werden, die zu einer - seit Jahren geforderten - Stärkung und Qualifizierung des Pflegekinderwesens führen sollen und eine längst fällige Anpassung der Verwaltungsvorschrift an das Kinder- und Jugendhilfegesetz nachvollziehen.
Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII stellt einen Leistungsbereich im Gesamtkomplex der Hilfen zur Erziehung (§ 27 ff SGB VIII) dar. Auch bei dieser familienersetzenden Unterbringungsform ist der erzieherische Bedarf des Kindes und seiner Herkunftsfamilie Grundlage für die Hilfegewährung im Einzelfall. Aufgabe des Jugendamtes ist es dabei nicht, potenzielle Pflegeeltern mit einem Pflegekind zu versorgen, sondern dem Kind gegenüber die gebotene Hilfe zu leisten. Das für die Hilfeplanung verantwortliche Jugendamt ist daher verpflichtet, zusammen mit den Eltern ein Hilfekonzept zu entwickeln, das entweder auf eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform ausgerichtet ist. Das Ziel dieser Hilfe zur Erziehung wird im Einzelfall durch die Hilfeplanung (§ 36 SGB VIII) festgelegt und ist im Rahmen seiner Fortschreibung vor dem Hintergrund einer prozesshaften Entwicklung auf seine Stimmigkeit zu überprüfen. In diesem Zusammenhang gibt der Entwurf der Ausführungsvorschriften ein geregeltes Verfahren der Diagnostik und Überprüfung im Rahmen des Hilfeplanverfahrens vor. Dies gilt auch im Hinblick auf die Feststellung eines erweiterten Förderbedarfs und die damit verbundenen Anforderungen an die Leistung der Erziehungsperson. Im Vordergrund stehen die Entwicklungsbedürfnisse des Kindes und eine "Passgenauigkeit" zwischen Pflegekind und aufnehmender Familie. Die Anwendung der Grundsätze der Hilfeplanung (§ 36 SGB VIII) im Rahmen der Hilfe zur Erziehung (§ 27 ff SGB VIII) gilt gleichermaßen auch für den Bereich der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege.
Hervorzuheben ist, dass durch das Erziehungsgeld die Kosten der Erziehung abgegolten werden. Bei derartigen Leistungen handelt es sich nicht um ein Honorar oder Arbeitsentgelt. Ein Anstellungsverhältnis oder ein sonstiges weisungsgebundenes Verhältnis gegenüber dem Jugendamt besteht nicht. Das Jugendamt kann Pflegeeltern somit auch nicht die Auflage erteilen, auf eine Berufstätigkeit zu verzichten. Im Vergleich zur Hilfe zur Erziehung in einer Familie, die Erziehungspersonen auf der Grundlage des § 33 SGB VIII leisten, stehen Betreuungskräfte, die im Rahmen des § 34 SGB VIII familienähnliche Hilfen in einer Institution durchführen, in einem Arbeitsverhältnis oder sonstigem weisungsgebundenen Verhältnis zu einem Einrichtungsträger. Die berufliche Tätigkeit wird erwerbsmäßig ausgeübt.
Hilfen nach § 33 SGB VIII stehen in Berlin insgesamt weniger zur Verfügung, als dies im Bundesdurchschnitt der Fall ist. Dabei liegt der Anteil von sogenannten heilpädagogischen Pflegestellen (Hilfen für besonders entwicklungsbeeinträchtige Kinder gemäß § 33 Satz 2 SGB VIII) in Berlin mit rund 40 % im Vergleich zu anderen Städten relativ hoch.
Nach Analyse der Arbeitsgruppe im Rahmen der Arbeiten an den Pflegestellen- Ausführungsvorschriften wird als ein Hinderungsgrund für den Ausbau der regulären Vollzeitpflege das erhebliche Ungleichgewicht hinsichtlich des Erziehungsgeldes der „normalen“ Vollzeitpflege mit gegenwärtig 179 Euro gegenüber dem Erziehungsgeld der heilpädagogischen Pflegestellen mit 959 Euro gesehen. Die Schere zwischen den beiden Formen der Vollzeitpflege, die in dieser Hinsicht heute fachlich nicht mehr zu begründen ist, wirkt sich zu ungunsten der allgemeinen Vollzeitpflege aus. Sie führt dazu, die 'normale' Vollzeitpflege unzulässig zu entwerten, denn auch Pflegepersonen im Rahmen der normalen Vollzeitpflege sind mit erheblichen Entwicklungsbeeinträchtigungen ihrer Pflegekinder und damit verbundenen Anforderungen konfrontiert, ohne dass dies bisher in den finanziellen Leistungen für die Pflegeeltern zum Ausdruck kam. Die Höhe des Erziehungs- und Pflegegeldes orientiert sich bisher vielmehr an der Art der Pflegestele (spezialisiert oder nicht spezialisiert), jedoch nicht am erzieherischen Bedarf des Pflegekindes, der sich im Verlauf der Hilfe ändern (mindern bzw. steigern) kann. Diese Sichtweise hat dazu geführt, dass die Hilfen für das Pflegekind nicht immer ausreichend nach positiven Entwicklungszielen ausgerichtet sind.
In Vertretung Thomas Härtel
Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport
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